Sonntag, 5. Dezember 2010

Liebsszene aus Paulo Coelho - Der Alchimist

Die schönste Liebsszene die ich je gelesen habe:


"Dann war es, als würde die Zeit plötzlich stillstehen und die Weltenseele allgewaltig vor dem Jüngling auftauchen. Als er in ihre schwarzen Augen blickte, auf ihre Lippen, die sich nicht zwischen Lächeln und Schweigen entscheiden konnten, verstand er den wichtigsten und weisesten Teil der Sprache, die die Welt sprach, die alle Menschen dieser Erde in ihren Herzen verstehen konnten. Und der nannte sich Liebe, jene Kraft, die älter war als der Mensch oder selbst die Wüste, die aber immer mit der gleichen Gewalt wiedererstand, überall dort, wo sich zwei Augenpaare begegnen, wie sich  nun diese beiden Augenpaare vor dem Brunnen begegneten.


Die Lippen entschieden sich endlich für ein Lächeln, und das war ein Zeichen, das Zeichen, worauf er, ohne es zu wissen, so lange in seinem Leben gewartet hatte, welches er bei den Schafen und in den Büchern, bei dem Kristall und in der Stille der Wüste gesucht hatte. Hierin drückte sich die Welt in ihrer reinsten Form aus, die keiner Erklärungen und Erläuterungen bedurfte, damit der Weltenlauf seinen Fortgang nahm.

Alles, was der Jüngling plötzlich erkannte, war, daß vor ihm die Frau seines Lebens stand, und ohne Worte zu gebrauchen, mußte auch sie das erkannt haben. Das hielt er für sicherer als alles sonst auf der Welt, selbst wenn seine Eltern und die Eltern seiner Eltern behaupteten, man müsse seine Liebe erklären, sich verloben, sich erst richtig  kennenlernen und dann genug Geld haben, um zu heiraten. Wer  so denkt, hat wohl nie die universelle Sprache kennengelernt, denn wenn man in sie eintaucht, ist es ein leichtes  zu verstehen, daß es auf der Welt immer einen Menschen gibt, der auf einen wartet, sei es inmitten der Wüste oder mitten in einer Großstadt.

Und wenn diese Menschen einander begegnen und ihre Augen sich finden, dann verliert die ganze Vergangenheit und die ganze Zukunft an Gewicht, und es gibt nur noch diesen Augenblick und diese absolute Gewißheit, daß alle Dinge unter der Sonne von der gleichen Hand aufgezeichnet wurden, von der Hand, welche die Liebe erweckt, und die eine Zwillingsseele für jeden Menschen vorgesehen hat, der unter der Sonne arbeitet, ausruht und Schätze sucht. Denn sonst hätten die Träume des Menschengeschlechts nicht den geringsten Sinn."

Weitere sehr gute Ausschnitte zum lesen (kurz)

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